38 - Große-Straße 66


Bild 38 - Große-Straße 66


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Die Große Straße 66 ist ein Gebäude, dessen spannende Geschichte sich dem Passanten nicht auf den ersten Blick erschließt. In einer hitzigen Diskussion suchte ein Bauingenieur 1995, den Sanierungsträger vom Abbruch des alten Hauses zu überzeugen: Ein bisschen Fachwerk, dazu Ziegelmauerwerk, Feldsteine und Lehm, das passte beim besten Willen nicht in sein Formelwerk der Statik.

Glücklicherweise sollte es anders kommen. Die heutige Eigentümerin erwarb das Grundstück im Jahr 2007 und startete umgehend die Sanierung des Gebäudes. Die Modernisierung und Instandsetzung wurde im Rahmen der Städtebauförderung bezuschusst. Das zweigeschossige fünfachsige Haus wurde zurückhaltend durch ein Putzgesims gegliedert. Im Erdgeschoss entstanden drei Läden, im Obergeschoss Wohnungen. Sehr schön ist das „ruhige“ ziegelgedeckte Satteldach ohne Gauben oder Dachflächenfenster. Es steht heute beispielhaft für historische Bürgerhäuser der Mark. Wie vielfach in der Stadt, rühren im Keller Feldsteinmauern und Gewölbe auf eine frühe Baugeschichte hin.

Eine bauhistorische Untersuchung sorgte jedoch 2008 für den Paukenschlag: Die dendrochronologische Begutachtung des Dachstuhls ergab ein Fälldatum der Hölzer von 1592, also lange vor dem Dreißigjährigen Krieg (1618-48). Der Gutachter verwies dabei auf die farbliche Fassung der profilierten Deckenbalken im Obergeschoss im Sinne der Renaissance. Die anschließende Begehung durch das Landesamt für Denkmalpflege führte zu einer sofortigen Unterschutzstellung als Einzeldenkmal. Interessant sind beispielsweise die hohen Räume des Obergeschosses: Haben die nach dem Dreißigjährigen Krieg entstandenen Fachwerkhäuser Deckenhöhen von kaum über zwei Metern, erreichen die Räume hier eine Raum-höhe von 2,65 Meter. Das weist auf einen gediegenen Wohlstand im 16. Jahrhundert hin, als der Bürger hier repräsentativ im Obergeschoss wohnte.

Allerdings zeichnete sich an dieser Stelle ein früher Fall von Subventionsbetrug ab. Hatten die Strausberger Stadtväter doch um 1700 ihrem Kurfürsten berichtet, dass die Stadt - schlimmer als jede andere Kommune - unter den Folgen des Dreißigjährigen Krieges leiden würde. So wäre im ganzen Stadtgebiet kein gerichtetes Dach überkommen. Für diese drastische Darstellung erhielten bauwillige Bürger Steuervorteile und kostenloses Baumaterial von ihrem Landesherrn. Offenbar nicht ganz zurecht, denn zumindest die heutige Große Straße 66 muss das Kriegstreiben offenbar überstanden haben!



Einzeldenkmal: Ja
Große Straße 66 rechts um 1910 - Heimatmuseum

Große Straße 66 rechts um 1910 - Heimatmuseum

Große Straße 66 im Jahr 1996

Große Straße 66 im Jahr 1996