36 - Große Straße 18


Bild 36 - Große Straße 18


Audiobeitrag hören:
Es war doch nur eine graue Maus, welche Berliner Immobilienentwickler nach der Wende in der Strausberger Altstadt glaubten, erworben zu haben. Hinter einer grünlichen Kratzputzfassade öffnete sich im Erdgeschoss ein Laden, eine Tordurchfahrt mit einem Segmentbogen und zwei Fenster. Das Obergeschoss wies fünf Fensteröffnungen auf. So war man schnell dabei - wie leider allzu oft in den 1990er Jahren - einen Abbruchantrag zu stellen.

Parallel zur Planung widmete sich die Denkmalpflege 1993 der Großen Straße 18 und stellte zunächst die überaus dicken Außenmauern fest. So war in Strausberg nach dem Dreißigjährigen Krieg nicht mehr gebaut worden. Ein Abbruch verbot sich angesichts der historischen Befunde. Im Gegenzug stellte das Land Brandenburg Städtebauförderungsmittel für eine Sanierung bereit. 1994 bis 1996 erfolgte die denkmalgerechte Sanierung der Gebäude.

Im Zuge der Sanierungsarbeiten offenbarte sich zur Straße eine Feldsteinfassade, ein weiterer Hinweis auf eine frühe Bauzeit. Zudem entdeckten die Bauforscher die Überreste eines spätmittelalterlichen Sitznischenportals. Nunmehr erklärten sich auch die Fensteröffnungen, die im Obergeschoss keine Achse über dem Erdgeschoss bildeten, aus der Entstehung vor dem Barockzeitalter. Als die abgehängten Decken in den Gewerberäumen des Erdgeschosses abgenommen wurden, kamen darunter spätgotische Gewölbe zum Vorschein. Diese Funde waren für Strausberg eine Sensation, glaubte man doch bis dahin, dass der verheerende Dreißigjährige Krieg in der Stadt oberirdisch keine intakten Räume hinterlassen hatte!

Im November 1993 erklärte das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege das Gebäude zum Einzeldenkmal. Architekturgeschichtlich wird in der Unterschutzstellung das Beispiel einer Einbeziehung mittelalterlicher Strukturen in ein barockes und später gründerzeitlich überformtes Bürgerhaus gewürdigt. Die städtischen Annalen überliefern die Eigentümer seit 1555 lückenlos. So wurde 1708 der Pfarrer Franz Kampe aus Gielsdorf Besitzer.

Beim Durchgang in den gepflasterten Hof sticht vor allem das ziegelsichtige, turmartige Brauereigebäude ins Auge. Das den Baukörper nach oben abschließende Konsolgesims akzentuiert die sparsame Fassadengliederung des Dreigeschossers. Neben dem Brauereigebäude wird der Hof von einem Wohnflügel und Remisen gerahmt. Über einen ziegelsichtigen Zugang ist ein aus drei Tonnen gewölbter Eiskeller zu erreichen. An die lange Brauereigeschichte des Grundstücks erinnert hier der Name F. Weichser und die Jahreszahl 1881. Dieser Brauereibesitzer bewirtschaftete die Große Straße 18 von 1865 bis 1890. Einst gab mehrere Dutzend mit der Braugerechtigkeit privilegierte Grundstücke in der Stadt!

Heute bleiben Besucher gern vor der spannenden Fassade stehen, besuchen den Laden mit den romantischen Gewölben und schauen neugierig auf den Hof. Denn hier irrte Theodor Fontane: In seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ war dem märkischen Nationaldichter Strausberg keine Zeile wert. Dabei können unsere Häuser sehr wohl Geschichten erzählen!



Einzeldenkmal: Ja